Kohlenhydratstoffwechsel und Diabetes mellitus

Kohlenhydratstoffwechsel und Diabetes mellitus
Kohlenhydratstoffwechsel und Diabetes mellitus
 
Vor allem aus Kohlenhydraten gewinnt der Organismus die Energie, die von den Körperzellen benötigt wird. Kohlenhydrate sind in pflanzlichen Nahrungsmitteln enthalten.
 
 Einfach- und Mehrfachzucker
 
Der Hauptenergielieferant für alle Körperzellen ist die Glucose. Dabei handelt es sich um ein aus sechs Kohlenstoffatomen aufgebautes Molekül. Die Glucose zählt zu den Einfachzuckern (Monosacchariden), die vom Darm problemlos ins Blut aufgenommen werden können. Auch Fruktose und Galaktose gehören zu den Einfachzuckern, werden aber vom Organismus hauptsächlich in Glucose umgewandelt. Die meisten Kohlenhydrate nehmen wir jedoch in Form von Stärke, die aus Zwei- oder Mehrfachzuckern (Disaccharide, Polysaccharide) besteht, zu uns. Diese müssen in Monosaccharide gespalten werden, damit sie die Darmwand passieren können. Diese Aufspaltung der Polysaccharide beginnt bereits im Mund: Die Alphaamylase, ein Enzym, das unter anderem im Speichel vorkommt, spaltet Polysaccharide hauptsächlich in ein Disaccharid namens Maltose und Maltriose, das aus drei Glucosemolekülen besteht, sowie in noch etwas größere Bruchteile, die Oligosaccharide. Auch das Sekret der Bauchspeicheldrüse (Pancreas) beinhaltet Alphaamylase. Im Dünndarm schließlich spalten weitere Enzyme (Di- und Oligosaccharidase) die Zwei- und Mehrfachzucker in Monosaccharide auf, die die Darmwand passieren können. Die Glucose gelangt nun ins Blut - ihre Konzentration im Blut, Blutzuckerspiegel genannt, muss zwischen 60 und 140 mg pro Deziliter Blut liegen, damit alle Körperzellen ausreichend mit Glucose versorgt werden. Wird zu viel Glucose mit der Nahrung aufgenommen, wandelt die Leber einen Teil davon in die Speicherform Glykogen um, das bei Bedarf wieder in Glucose umgewandelt wird. Auch die Muskelzellen speichern überschüssige Glucose in Form von Glykogen. Bei einem Glucosemangel kann die Leber auch aus Aminosäuren, den Grundbausteinen von Eiweißen, Glucose herstellen.
 
 
Eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels spielt das von den Betazellen der Langerhans-Inseln in der Bauchspeicheldrüse gebildete Hormon Insulin. Es ist das einzige Hormon im Körper, das in der Lage ist, den Blutzuckerspiegel zu senken. Im Gegensatz dazu gibt es mehrere Hormone, die den Blutzuckerspiegel erhöhen können (z. B. die Glucocorticoide und Adrenalin). Insulin besetzt einerseits spezielle Rezeptoren auf der Membran der Körperzellen und sorgt damit dafür, dass durch die Zellmembranen mehr Glucose ins Zellinnere geschleust wird, andererseits sorgt Insulin dafür, dass die Zellen mehr Glucose verwerten können und dass die Glucose in Form von Glykogen gespeichert wird. Außerdem kurbelt Insulin den Fettstoffwechsel an, indem es die Zellmembranen durchlässiger für freie Fettsäuren macht, die dann in Form von Triglyzeriden gespeichert werden können. Kommt es zu einem Mangel an Insulin, können die Zellen nicht mehr genug der im Blut zirkulierenden Glucose aufnehmen. Die Folgen: Der Blutzuckerspiegel steigt und den Zellen fehlt es an Energie. Diese Stoffwechselstörung, die unbehandelt schwere körperliche Schäden nach sich ziehen kann, wird als Diabetes mellitus oder Zuckerkrankheit bezeichnet.
 
 
Diabetes mellitus ist eine überaus häufige Stoffwechselkrankheit. Sie macht sich in erster Linie durch großen Durst, häufiges Wasserlassen, Mattigkeit und zunehmende Schwierigkeiten bei körperlichen Arbeiten bemerkbar. Der Blutzuckerspiegel steigt (nüchtern) auf Werte über 120 mg Glucose pro Deziliter Blut (Überzuckerung oder Hyperglykämie). Auch wird oft Glucose mit dem Urin ausgeschieden, denn bei mehr als 180 mg Glucose pro Deziliter Blut (Nierenschwelle) sind die Nieren nicht mehr in der Lage, die gesamte Glucose ins Blut zurückzuleiten. Bei sehr hohen Blutzuckerwerten kommt es zum lebensgefährlichen diabetischen Koma. Die Veranlagung für den Diabetes wird häufig vererbt, begünstigt wird er zudem durch zu reichliche Ernährung. Man unterscheidet zwei verschiedene Typen der Zuckerkrankheit: Beim Typ-I-Diabetes, der meist schon in der Kindheit oder Jugend auftritt, sind die Betazellen der Bauchspeicheldrüse geschädigt und können daher nicht mehr genug Insulin herstellen. Beim Typ-II-Diabetes, der manchmal auch als Altersdiabetes bezeichnet wird, weil er meist im fortgeschrittenen Alter auftritt, stellen die Betazellen noch ausreichend Insulin her, doch die Rezeptoren an den Zellen sind nicht mehr intakt und das Insulin kann dort nicht mehr andocken. Die Entstehung des Altersdiabetes wird durch zu reichliche Ernährung begünstigt - die Betazellen müssen aufgrund der Überernährung mehr Insulin produzieren, damit die Glucose in die Zellen gelangen und verwertet werden kann. So kommt es zum Abnehmen der Insulinempfindlichkeit der Zellen.
 
Während sich der Typ-I-Diabetes meist sehr rasch entwickelt und durch starken Durst, vermehrte Urinausscheidung und Schwäche äußert, beginnt der Typ-II-Diabetes langsam und macht sich zunächst durch Hautjucken, Sehstörungen und Schwäche bemerkbar. Der Typ-I-Diabetes wird oft erst nach dem Auftreten eines diabetischen Komas festgestellt, das sich durch eine zunehmende Trübung des Bewusstseins äußert. Der Blutzuckerspiegel kann dabei auf einen Wert von über 1000 mg Glucose pro Deziliter Blut steigen. Vor allem bei Typ-I-Diabetikern kommt es infolge des erhöhten Blutzuckerspiegels und des Mangels an Insulin zur Ketoazidose. Wenn den Zellen aufgrund des Insulinmangels kaum Glucose zugeführt wird, wird das eingelagerte Fett im Körper zur Energiegewinnung herangezogen. Durch den plötzlich einsetzenden Fettabbau kommt es vermehrt zur Bildung von Ketonkörpern. Dies sind in erster Linie Säuren, die von den Körperzellen zur Erzeugung von Energie genutzt werden können. Allerdings werden so viele Ketonkörper ins Blut freigesetzt, dass der pH-Wert des Bluts auf einen lebensgefährlichen Wert sinkt. Bemerkbar macht sich diese Ketoazidose durch eine vertiefte Atmung und die ausgeatmete Luft riecht nach Azeton. Bei Typ-II-Diabetikern (auch bei Typ-I-Diabetikern) produzieren die Nieren vermehrt Urin, um die überschüssige Glucose im Blut auszuscheiden. Dadurch wird den Körperzellen so viel Flüssigkeit entzogen, dass es zur Austrocknung und zum Koma kommt.
 
 Diabetische Folgeerkrankungen, Diagnostik
 
Der hohe Blutzuckerspiegel bei unbehandeltem Diabetes zieht körperliche Schäden nach sich. Die arteriellen Gefäße werden geschädigt, was zu einer Arteriosklerose der großen Blutgefäße führt (Makroangiopathie), wodurch es z. B. zur koronaren Herzkrankheit oder zu Durchblutungsstörungen kommen kann. Auch die kleinen Blutgefäße werden geschädigt (Mikroangiopathie), vor allem die der Nieren und Augen. Es kann zur diabetischen Nephropathie kommen, bei der die Nieren allmählich ihre Funktion einstellen. Werden die Gefäße der Augennetzhaut geschädigt (diabetische Retinopathie), kann dies zur Erblindung führen. Sind Gefäße, die Nerven versorgen, betroffen, entsteht eine Polyneuropathie. In Armen und Beinen kommt es zu Empfindungsstörungen beziehungsweise Schmerzen. Durch Druckstellen und Durchblutungsstörungen in den Gefäßen des Fußes kann Gewebe absterben (diabetisches Gangrän oder diabetischer Fuß).
 
Diagnostiziert wird Diabetes meist durch Urin- und Bluttests. Mithilfe eines Teststreifens, der in den Urin getaucht wird und sich verfärbt, kann anhand einer Farbskala festgestellt werden, ob und wie viel Glucose im Urin enthalten ist. Den Blutzuckerwert ermittelt man z. B., indem ein Blutstropfen auf einen Teststreifen gegeben wird, der sich - je nach Glucosekonzentration im Blut - unterschiedlich färbt. Der Arzt führt weitere Bluttests durch; für die Selbstkontrolle kann ein Blutzuckertestgerät hilfreich sein.
 
 
Bei Typ-II-Diabetikern besteht die Behandlung des Diabetes zunächst darin, Übergewicht zu reduzieren und die Ernährung umzustellen. So sollten Diabetiker mehrere kleine Mahlzeiten statt wenige große zu sich nehmen, damit der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit nicht zu stark steigt, um dann infolge einer längeren Essenspause zu stark zu sinken. Die jeweilige Diät wird gemeinsam mit dem Arzt erarbeitet, der festlegt, wie viel Energie/Kalorien täglich aufgenommen werden dürfen. Auch Bewegung trägt dazu bei, den Diabetes unter Kontrolle zu bringen. Falls dies nicht ausreicht, verordnet der Arzt zunächst Tabletten (z. B. Sulfonylharnstoffe), die die Betazellen stimulieren, mehr Insulin auszuschütten, oder andere Präparate, die bewirken, dass das Insulin besser ausgenutzt wird (Biguanide).
 
Typ-I-Diabetiker und auch viele Typ-II-Diabetiker müssen ihrem Körper Insulin zuführen (Insulin spritzen). Heute erhalten Diabetiker bei der Insulineinstellung gentechnisch hergestelltes Humaninsulin (früher Schweine- und Rinderinsulin). Es gibt Insuline, die den Wirkstoff allmählich in die Blutbahn lassen und bis zu 24 Stunden wirksam sind (Depotinsuline), und solche, die rasch wirken (Altinsuline, vor allem für Typ-I-Diabetiker), beziehungsweise Mischformen. Insulin muss ins Fettgewebe täglich - je nach Therapie - zu etwa gleich bleibenden Zeiten gespritzt werden. Die Dosierung erleichtern Insulin-Pens mit einer Dosiervorrichtung. Am besten lässt sich das Insulin in die Bauch- und Hüftregion sowie die Oberschenkel injizieren. Insulinpumpen geben das Insulin über einen unter der Haut liegenden Katheter selbstständig an den Körper ab. Diabetiker müssen regelmäßig ihren Blutzuckerspiegel kontrollieren. Bei einer zu hohen Insulindosis bzw. bei Auslassen einer Mahlzeit kann z. B. eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) auftreten, die unbehandelt zu Bewusstlosigkeit und unter Umständen auch zum Tode führen kann.

Universal-Lexikon. 2012.

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